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Dysfunktionale Familien: Das Kind als Partner-Ersatz

Wann wird ein Kind zum Partnerersatz? Was ist Parentifizierung? Und wie kommt es zur Rollenumkehr zwischen Eltern und Kind?

Wenn Kinder zum Ersatz für die Partnerin oder den Partner werden, hat das weitreichende Folgen für ihre Entwicklung.

Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit diesem wichtigen Thema. Er zeigt auf, wie diese innerfamiliäre Rollenumkehr aussehen kann und wie Sie erkennen können, ob Sie davon betroffen sind.

Heute stelle ich Ihnen den vierten Teil der mehrteiligen Serie „Familienrollen – Wenn die Rolle in der Familie zum Gefängnis wird“ vor, die Ihnen dabei helfen können, sich selbst, die Beziehung zu Ihren Bezugspersonen sowie Ihre Kindheit bzw. Jugend besser zu verstehen.

WAS IST EIN PARTNER-ERSATZ?

Kinder, die zum Ersatz des bzw. der Partnerin eines Elternteils werden, erfüllen mehrere Funktionen in der Familie. Anstelle eines gleichberechtigten Partners auf Augenhöhe wird dem Kind die Bürde auferlegt, emotional – und unter Umständen sogar körperlich – für den verbliebenen Elternteil zu sorgen. Dabei findet eine sogenannte „Rollenumkehr“ statt, die missbräuchliche Züge aufweist und im Extremfall eindeutig als Missbrauch zu bezeichnen ist.

In jedem Fall aber handelt es sich um eine höchst ungesunde Form der Eltern-Kind-Beziehung, die dem Kind zugemutet wird.

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WIE WIRD EIN KIND ZUM PARTNER-ERSATZ?

Zum Ersatz des Partners bzw. Partnerin wird ein Kind häufig dann, wenn die Beziehung der Eltern zueinander endet. Das kann beispielsweise durch eine Trennung bzw. Scheidung der Fall sein.

Ebenso kann ein Kind zum Partnerersatz werden, wenn einer – im Extremfall sogar beide – Elternteile sich emotional und/oder körperlich von ihrer Partner:in im Stich gelassen fühlen. In diesem Fall ist die Beziehung der Eltern zwar nach außen hin noch vorhanden, innerlich jedoch haben sich die Elternteile voneinander losgesagt, ohne ihre Trennung offiziell zu machen. Dieser ambivalente Zustand zwischen den Eltern wiederum verstärkt das Risiko der Rollenumkehr, je länger er andauert.

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ENGE ELTERN-KIND-BEZIEHUNGODER BEREITS MASSIVE GRENZÜBERSCHREITUNG?

In der mildesten Form dient das Kind als Ratgeber:in, Tröster:in und/oder Seelsorger:in für die Eltern, in der massivsten Form kann es zu emotionalen und/oder körperlichen Grenzüberschreitungen und zu Missbrauch im strafrechtlichen Sinn kommen.

Das Tragische dabei ist, dass zum einen die Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson von außen fälschlicherweise als besonders und innig angesehen wird – und zum anderen das Kind zwar die Bevorzugung bis zu einem gewissen Grad zu genießen scheint, dabei aber Gefahr läuft, Grenzüberschreitungen eher zu dulden und/oder über sich ergehen zu lassen, um die Zuneigung seiner Bezugsperson nicht aufs Spiel zu setzen.

Dabei verliert das Kind nach und nach das Gefühl für seine eigenen (Körper-) Grenzen bzw. ist nicht (mehr) in der Lage, diese nach außen hin zu kommunizieren. 

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FOLGEN FÜR DIE KINDER

Kinder tun alles Erdenkliche, um die Zuneigung und Aufmerksamkeit ihrer Bezugspersonen zu erhalten und zu sichern, selbst wenn das bedeutet, dass sie ihre eigenen Grenzen aufgeben müssen. Je kleiner und jünger sie sind, desto größer ist naturgemäß die Abhängigkeit zu ihren Eltern und damit zugleich auch das Bestreben, die elterliche Zuwendung um jeden Preis aufrechtzuerhalten.

Ihr Vertrauen in die elterliche Fürsorge und Sicherheit gerät massiv ins Wanken, wenn das Kind in der Familie von einer Sekunde auf die andere die Rolle eines bzw. einer Erwachsenen übernehmen muss.

Als Erwachsene steigt bei dieser fatalen Rollenumkehr für sie das Risiko, in ähnliche Beziehungsstrukturen zu geraten und Opfer von grenzüberschreitenden Partner:innen zu werden. 

Es besteht jedoch auch das Risiko, dass sie umgekehrt Beziehungen suchen, in denen sie zu Täter:innen werden und die Grenzen ihrer Partner bzw. Partnerin bedrohen.

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ES IST NIEMALS DIE AUFGABE DES KINDES, DIE BEDÜRFNISSE SEINER ELTERN ZU BEFRIEDIGEN

Es ist einzig und alleine die Aufgabe der Eltern, sich um ihr Kind zu kümmern, es zu versorgen und ihm die Unterstützung zukommen zu lassen, die es benötigt, um zu einem bzw. einer emotional und körperlich gesunden jungen Erwachsenen heranzureifen.

Keineswegs jedoch dürfen Eltern diese Aufgabe an ihre Kinder abwälzen und versuchen, ihre Bedürfnisse mithilfe und/oder durch das Kind zu befriedigen.

Die Realität sieht jedoch häufig anders aus. Oftmals sind die Eltern selbst mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Sie sind aufgrund eigener Vorerfahrungen oft nicht in der Lage, Konflikte in ihrer Beziehung adäquat zu lösen und flexibel auf neue Herausforderungen im Leben zu reagieren. Je nach Persönlichkeitsstruktur wird dem Kind dann – oftmals stillschweigend – die Aufgabe zugesprochen, für das Wohlbefinden des Elternteils zu sorgen. 

Auf emotionaler Ebene kann das bedeuten, die Stimmungen und Launen abzufedern bzw. umzulenken, stets wie auf Eierschalen zu laufen und ständig in Habachtstellung zu sein. Es kann aber auch dazu führen, dass das Kind die emotionale Last der Eltern schultern muss, indem es für konkrete Lösungen in bestimmten Situationen herangezogen wird, die seine eigene emotionale und geistige Reife übersteigen.

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PARENTIFIZIERUNG: BIN ICH DAVON BETROFFEN

Wenn Sie sich nun fragen, ob Sie betroffen sind, indem Sie in Ihrer Kindheit für Ihre Eltern sorgen mussten, können Ihnen folgende Anhaltspunkte bei der Beantwortung Ihrer Frage weiterhelfen:

    • Wichtige Entscheidungen wurden wiederholt mit Ihnen anstelle mit Ihrem Vater und/oder Ihrer Mutter besprochen und getroffen.
    • Sie lernten bereits früh die Sorgen und Ängste Ihrer Eltern kennen und versuchten, diese so gut es ging zu reduzieren bzw. Ihre Eltern nach Möglichkeit zu entlasten.
    • Sie wurden in jungen Jahren in Familiengeheimnisse eingeweiht, die Sie gegenüber Ihren Freundinnen und Freunden, der Schule und anderen Außenstehenden bewahren mussten.
    • Sie waren als ältestes Kind in der Familie für die Betreuung, Versorgung und/oder schulischen Belange Ihrer jüngeren Geschwister verantwortlich.
    • Ihre Eltern konfrontierten Sie früh mit Themen und/oder Problemen in ihrer eigenen Beziehung, die nicht kindgerecht waren, wie etwa Sexualität, Machtverhältnisse und/oder finanzielle Sorgen.
    • Im Vergleich zu Ihren gleichaltrigen Freundinnen und Freunden trugen Sie deutlich mehr Verantwortung.
    • Sie hörten häufig Äußerungen wie „Was würde ich nur ohne dich machen!“ – „Auf dich kann ich mich verlassen!“ – „Zum Glück bist du nicht wie dein Vater/deine Mutter!“ – „Du bist doch der/die Älteste, also musst du …“ – „Es ist deine Schuld, wenn wir streiten/ich schlecht gelaunt bin.“ – „Nur du verstehst, wie es mir wirklich geht.“ – „Ich zähle auf dich, also enttäusche mich nicht.“

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WIE GEHE ICH HEUTE DAMIT UM?

Wenn Sie realisiert haben, dass Ihre Eltern nicht in der Lage waren, angemessen für Sie zu sorgen und ihren elterlichen Pflichten nachzukommen, kann das zunächst einmal eine sehr schmerzhafte Erkenntnis sein. 

Unter Umständen geht es darum, eine verlorene Kindheit zu betrauern, wenn Sie bemerken, dass es Ihren Eltern im Rahmen ihrer Fähigkeiten nicht möglich war, für Sie so zu sorgen, wie Sie es als Kind gebraucht hätten.

Sie dürfen jederzeit … 

  • … für sich selbst ein guter Elternteil sein, indem Sie sich so behandeln, wie Sie es sich in einer bestimmten Situation gewünscht hätten.
  • äußere und innere Grenzen setzen. Ihr Körper und Ihre Gedanken gehören Ihnen allein.
  • Nein sagen. Und zwar ohne jede Begründung.
  • … eine Beziehung beenden. Unabhängig davon, was Ihr:e Partner:in dazu sagt.
  • … auf Ihre Bedürfnisse achten und sie erfüllen. Denn das kann Ihnen niemand abnehmen – und nur Sie können wirklich einschätzen, was Ihnen langfristig guttut.
  • … um Hilfe bitten. Dabei dürfen Sie durchaus das Risiko eingehen, dass die Bitte abgelehnt wird.
  • gut für sich sorgen. Ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung sind wichtig für Ihr inneres Gleichgewicht.
  • … einen kritischen Blick in die Vergangenheit werfen, aber darüber nicht vergessen, in der Gegenwart und Zukunft eigenverantwortlich zu leben.

Was in der Vergangenheit geschehen ist, ist geschehen und lässt sich auch nicht rückgängig machen. Was Sie heute jedoch tun können, um zufriedener und glücklicher leben zu können: Seien Sie für sich selbst der gute Elternteil, den Sie damals gebraucht hätten.

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Meine Frage an Sie:

Mussten Sie als Kind Ihre Eltern emotional und/oder sogar körperlich umsorgen? Durften Sie einfach Kind sein?

Eine wichtige Erinnerung an Sie

  • Kinder haben das Recht auf eine gewaltfreie, unterstützende und liebevolle Kindheit, in der sie Kind sein dürfen.
  • Sie sind weder Eigentum noch verlängertes Selbst ihrer Eltern bzw. Bezugspersonen.
  • Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl, wenn Sie in heutigen Beziehungen das Gefühl haben, dass Ihre Grenzen nicht respektiert werden und/oder Sie für die Belange anderer instrumentalisiert werden sollen.

Wenn Sie bei diesem Prozess eine empathische Unterstützung benötigen, melden Sie sich gerne bei mir.

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© 2023 Romy Fischer