Eine Anleitung zum Scheitern in 10 Schritten. So scheitert garantiert jede Beratung.
Im heutigen Beitrag finden Sie die perfekte Anleitung für gescheiterte psychologische Beratungen – online und offline.
Hinweis vorab: Dieser Beitrag versteht sich als nicht sonderlich ernst gemeint, soll Sie aber bestenfalls zum Nachdenken darüber anregen, mit welchen Erwartungen und Verhaltensweisen Sie sich möglicherweise selbst sabotieren und eine Veränderung verhindern.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Im Grunde genommen wollen Sie überhaupt nicht beraten werden – schon gar nicht psychologisch oder online. Deswegen setzen Sie von vorneherein alles daran, die Beratung scheitern zu lassen.
Wie? Sie verweigern das Gespräch, stellen das Mikrofon ab und/oder machen nebenbei etwas anderes. Ganz sicher jedoch sprechen Sie nicht über sich und Ihr Anliegen.
… und sind enttäuscht, wenn weder Esoterik noch Hokuspokus zum Einsatz kommen. Und noch enttäuschter werden Sie, wenn Sie feststellen, dass in erster Linie kommuniziert wird und Sie Ihr Anliegen in Worte kleiden müssen.
Weder lassen sich Ihre Gedanken lesen noch kann man Ihnen Ihre Probleme zwangsläufig ansehen. Noch unwahrscheinlicher ist es, sie mit einem Fingerschnipsen verschwinden zu lassen.
Und zwar jetzt gleich. Spätestens aber morgen.
Weder haben Sie die Zeit noch die Muße, sich eingehend mit sich selbst zu befassen oder etwas dafür zu tun, das eine Veränderung einleiten könnte.
Immerhin bezahlen Sie für die gebuchte Zeit und da könnte man doch zumindest erwarten, dass Sie nicht auch noch selbst (mit)arbeiten müssen. Oder?
Im Prinzip soll sich alles von jetzt auf gleich ändern, aber ohne, dass sich etwas ändert. Vor allem aber nicht Sie selbst.
Wenn sich jemand ändern sollte, wären das ohnehin die anderen. Alles soll sich ändern und alles soll gleich bleiben. Zur selben Zeit.
Kurzum, ein Paradoxon.
Ja, es wäre nett, wenn sich etwas zum Besseren ändern würde, aber leider fehlt Ihnen die Zeit dafür.
Zu viele Termine, Pflichten, Interessen und abschalten möchte man ja auch noch. Deshalb soll ein einziges Gespräch im Idealfall alles richten, was derzeit in Schieflage geraten ist, denn über mehr Zeit verfügen Sie leider nicht.
Und überhaupt – Zeit ist Geld.
… denn immerhin ist es die Aufgabe des bzw. der Berater:in, Ihnen zu sagen, wieso Sie die Beratung in Anspruch nehmen. Dafür zahlen Sie schließlich, oder nicht?
Jederzeit könnten Ihr:e Partner:in, Ihre Kinder oder jemand anderes in das Beratungsgespräch hineinplatzen. Privatsphäre? Ein Rückzugsort? Ein Ort, an dem Sie sich fallen lassen könnten? Fehlanzeige.
Draußen lärmt außerdem eine Baustelle, Ihre Nachbarn streiten sich lautstark, das Telefon klingelt permanent und im Hintergrund laufen das Radio und/oder der Fernseher.
Ablenkung ist also vorprogrammiert.
Der Baron von Münchhausen würde vor Neid erblassen angesichts der Geschichten, die Sie zu erzählen haben. Ausschweifend, ausgeschmückt und alles, nur nicht wahr.
Oder Sie erzählen wiederholt von Ihrem Nachbar und dessen Problemen, lassen sich ausschweifend über das Wetter oder Ihr Frühstück aus. Sobald das Gespräch eine andere – tiefere Wendung – nimmt, blocken Sie ab, steigen Sie aus oder tauchen ganz unter.
Sie bezahlen Ihr hart verdientes Geld und nehmen folglich für sich in Anspruch, dass man Ihnen recht gibt, nicht widerspricht und Ihnen grundsätzlich nach dem Mund redet. Wer zahlt, schafft schließlich an.
Alternative Sichtweisen, mögliche blinde Flecken und ein kritischer Blick von außen sind nicht gefragt. Stattdessen möchten Sie ausschließlich bestätigt werden, kontinuierlich Zustimmung erhalten und sich keinesfalls mit einer potenziellen Gegenstimme auseinandersetzen.
Auch nach dem zehnten Gespräch, das Ihnen Bauchschmerzen bereitet, bleiben Sie bei der Person, für die Sie sich entschieden haben. Und das, obwohl Sie sich permanent missverstanden, nicht gehört oder wertgeschätzt fühlen und auch nicht in der Lage sind, zumindest eine gewisse Vertrauensbasis aufzubauen. Denn schließlich haben Sie bereits einiges Geld investiert, oder? Das kann schließlich nicht umsonst gewesen sein.
Zähne zusammenbeißen und durchhalten ist Ihre Devise. Was lange währt, wird endlich gut – so lautet Ihre Hoffnung.
Sie ahnten bereits beim Lesen des Titels, dass es sich um eine äußerst überspitzte Darstellung handelt. Tatsächlich sind viele der geschilderten Verhaltensweisen einfach nur menschlich. Wir setzen uns ungern mit unseren Schattenseiten, schlimmen Erlebnissen und/oder unserem Scheitern auseinander.
Gerade, wenn Sie erstmals darüber nachdenken, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann es sehr gute und valide Gründe dafür geben, sich selbst (vor weiteren) Verletzungen und/oder Enttäuschungen schützen zu wollen.
Trotzdem können Sie die Anti-Anleitung dazu nutzen, sich selbst einmal in Ruhe zu fragen, welche möglichen Gegenschritte sinnvoll wären, um aus der gescheiterten Beratung eine erfolgreiche bzw. gelungene Beratung zu machen. Zudem hilft sie Ihnen dabei zu reflektieren, welche Hemmnisse und/oder Hindernisse Sie davon abhalten, sich auf eine Beratung und den Prozess zur Veränderung einzulassen.
Sprechen Sie Ihre Ängste, Sorgen und Zweifel am besten sobald wie möglich an, denn in der Beratung stehen Sie mit Ihrem Anliegen im Fokus.
Wenn Sie weitere Unterstützung oder Tipps benötigen, können Sie dazu auch den Artikel „Die passende Beratung finden: Worauf Sie achten sollten“ lesen. Darin gehe ich darauf ein, anhand welcher Kriterien Sie eine Entscheidung für oder gegen einen bzw. eine Beraterin treffen können.
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© 2023 Romy Fischer