Ich lache, obwohl ich weinen will. Ich lache, obwohl ich innerlich zerbreche. Ich lächle, obwohl ich traurig bin. Nach außen hin wirkt alles gut: Das Kind lacht viel, reißt Witze und unterhält die ganze Familie. Doch wie es im Inneren des Kindes aussieht, zeigt es nicht. Wie sehr die Clowns in der Familie unter ihrer fröhlichen Maske leiden, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Heute stelle ich Ihnen den sechsten Teil der mehrteiligen Serie „Familienrollen – Wenn die Rolle in der Familie zum Gefängnis wird“ vor, die Ihnen dabei helfen können, sich selbst, die Beziehung zu Ihren Bezugspersonen sowie Ihre Kindheit bzw. Jugend besser zu verstehen.
Kinder in der Rolle des Familienclowns sind äußerlich Strahlenaturen. In ihrer Gegenwart scheint alles leicht und heiter zu sein, sie machen Späßchen, sind selten um einen frechen Spruch verlegen und verstehen es stets, die kippende Stimmung zu retten.
Was sich in ihrem Inneren abspielt, behalten sie jedoch für sich. Das fröhliche Gesicht ist ihre Maske und ihr Schutzschild zugleich.
Kinder, die die Rolle des Clowns einnehmen, stehen häufig im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie erhalten in der Regel positive Rückmeldungen für ihr heiteres Wesen und ihre Fähigkeit, gute Laune zu verbreiten. Sie verfügen oftmals über feine Antennen für den drohenden Wechsel von Stimmungen und reagieren darauf mit ihren erlernten Überlebensstrategien: Ablenken und unterhalten.
Sobald „etwas in der Luft liegt“, spulen sie eine ganze Bandbreite an Verhaltensweisen ab, die alle mehr oder minder denselben Zweck dienen: Spannungen zu reduzieren, Konflikte zu beenden und/oder negative Gefühle zu überspielen bzw. andere dazu zu bewegen, sich besser zu fühlen.
Dieses Verhalten wird häufig zu einer zweiten Persona, und greift über den familiären Kontext hinaus – in die Schule, den Beruf und den Kontakt zu Gleichaltrigen. Entscheidend ist hierbei jedoch, dass die innere Verfassung nicht mit der nach außen hin gezeigten übereinstimmt, sondern in der Regel eine tiefe Spaltung besteht.
Traurigkeit, Angst, Scham, Wut/Zorn und/oder ähnliche Gefühle bleiben hinter der Fassade verborgen.
Kinder in der Rolle des Clowns verlieren oftmals den Bezug zu ihren eigenen Gefühlen, insbesondere dann, wenn es sich um negative handelt. Gerade in der Gesellschaft anderer Menschen sind sie darauf konzentriert, ihre heitere Maskerade aufrechtzuerhalten und laufen dabei häufig, über die Strenge zu schlagen und ihre Mitmenschen befremdet zurückzulassen.
Unter Umständen zeigt sich dieses Verhalten auch in Kontexten, in denen Heiterkeit und Späße völlig unangebracht sind – etwa in beruflichen Situationen, Trauerfeiern und/oder als Reaktion auf einen Schicksalsschlag. Den Schmerz „weglachen“ zu wollen ist dabei zunächst keineswegs abwegig. Problematisch wird es erst, wenn jede Form von Verletzung oder schmerzlicher Erfahrung – sei es die eigene oder die anderer – von vorneherein mit Humor im Keim erstickt werden soll.
Die Diskrepanz – oder auch Aufspaltung – zwischen dem, was tatsächlich empfunden wird und dem, was nach außen hin gezeigt wird, kann langfristig zu psychosomatischen Beschwerden führen. Das heißt, es treten Symptome auf, die sich rein organisch nicht erklären lassen.
Ihre eigene Verzweiflung, Traurigkeit und/oder das Gefühl, von niemanden wirklich verstanden zu werden, fühlt sich so beängstigend und überwältigend an, dass das Erleben dieser Gefühle um jeden Preis vermieden muss.
Gleichzeitig heischen sie nach Aufmerksamkeit, genießen es zuweilen, im Mittelpunkt zu stehen und die Lacher auf ihrer Seite zu wissen. Aber erst durch die Reduktion auf die Rolle des Clowns unter Aufgabe aller anderen potenziellen Rollen, unterschiedlicher Gefühle und Vielfalt an potenziellen Reaktionen entsteht das Risiko, psychische Erkrankungen zu entwickeln, wie etwa Depressionen.
So fatal der Umgang mit negativen Erlebnissen und/oder negativen aufkommenden Gefühlen sein mag, verfügen die Clowns in der Familie über eine besondere Fähigkeit, die anderen Menschen oftmals fehlt: Sie können ihren Humor und ihr Lachen dazu verwenden, sich selbst wieder aufzurichten, wenn sie am Boden angelangt sind. Oder auch dazu, selbst schwierigen Situationen etwas Positives abzugewinnen – und sei es auch nur die Gelegenheit, zu einem späteren Zeitpunkt daraus eine gute Geschichte zu machen.
Es ist jedoch wichtig zu unterstreichen, dass der Humor langfristig keinen zynischen Zug annimmt, denn Zynismus und Verbitterung gehen häufig Hand in Hand miteinander und vergiften allmählich das eigene Leben. Auch die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, ist eine zweischneidige – auf der einen Seite bedeutet es, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen und in der Lage zu sein, kleineren Missgeschicken durchaus etwas Amüsantes abgewinnen zu können.
Auf der anderen Seite bedeutet es genau das: Sich selbst nicht ernst (genug) zu nehmen, über sich zu lachen, bevor es andere tun. Denn wenn man selbst zuerst lacht, schmerzt das Lachen der anderen vermeintlich weniger.
Es ist wie so oft die Dosis, die das Gift macht – aber auch die Intention, die dahintersteckt: Tatsächlich empfundenes Amüsement – oder eben doch reiner Selbstschutz vor den anderen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Ihnen dabei helfen zu erkennen, ob Sie Ihren Humor dazu nutzen, sich von Ihren eigenen Gefühlen abzuschirmen und/oder andere Menschen nicht hinter Ihre heitere Fassade blicken zu lassen.
All das können Hinweise darauf sein, dass Sie Ihre Rolle als Clown und/oder Unterhalter:in so tief verinnerlicht haben, dass Sie Ihnen zu einer zweiten Natur geworden ist. Aber das menschliche Erleben umfasst das gesamte Gefühlsspektrum: Von Freude, Fröhlichkeit über Wut, Trauer und Schmerz. Jedes Gefühl – ob positiv oder negativ – hat seine Berechtigung, denn es liefert uns wichtige Informationen über uns selbst, unsere Ziele, Sehnsüchte und Ängste.
Genauso haben auch Sie das Recht dazu, aus Ihrer Rolle herauszutreten und andere Menschen hinter Ihre Fassade blicken zu lassen. Ihre Verletzlichkeit ist keine Schwäche, auch wenn sich das in Ihrer Kindheit und Jugend anders angefühlt hat und womöglich sogar gegen Sie verwendet wurde.
Sie müssen nicht allen gefallen, um liebenswert bzw. der Liebe anderer würdig zu sein. Die Menschen, die Sie wertschätzen und respektieren, werden auch Ihre vermeintlichen Schattenseiten und dunklen Stunden gemeinsam mit Ihnen durchstehen.
Welche Gefühle waren in Ihrer Familie erlaubt, welche nicht? Welche Art von Humor war in Ihrer Familie „in Ordnung“? Wie gehen Sie heute mit „verbotenen“ Gefühlen um?
Wenn Sie bei diesem Prozess eine empathische Unterstützung benötigen, melden Sie sich gerne bei mir.
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© 2023 Romy Fischer
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