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Dysfunktionale Familie: Sündenböcke und emotionale Gewalt 

Dysfunktionale Familie: Sündenböcke und emotionale Gewalt. Emotionale Gewalt oder auch psychische Gewalt hat viele Gesichter.
Während körperliche Gewalt oftmals Spuren hinterlässt, die für andere sichtbar werden, sind die Spuren körperlicher oder psychischer Gewalt häufig unsichtbar.

In dysfunktionalen Familien können beide Arten von Gewalt gemeinsam auftreten und dabei langfristige Folgen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nach sich ziehen. Eine klare Grenzziehung zwischen diesen beiden Arten von Gewalt ist trotzdem nicht so einfach, wie man vermuten könnte.

Wie die Rolle des Sündenbocks in der Familie und emotionale Gewalt zusammenhängen und welche Folgen letztere hat, erfahren Sie im heutigen Beitrag.

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WIE MAN ZUM SCHWARZEN SCHAF (GEMACHT) WIRD 

Der Sündenbock bzw. das schwarze Schaf in der Familie ist oft am höchsten gefährdet, Opfer von emotionaler und körperlicher Gewalt zu werden.

Wie ich bereits in im Artikel zum Thema Sündenbock erklärt habe, ist es nicht die Verantwortung oder gar Schuld des Kindes, in diese Rolle hineingeraten zu sein bzw. diese im Familiensystem zugewiesen bekommen zu haben. Vielmehr liegt die Ursache in den engsten Bezugspersonen begründet, in der Regel die Eltern, die meist aufgrund ihrer eigenen Vorgeschichte und ihren Erfahrungen so handelten, wie sie es taten. Dabei musste es sich keineswegs um vorsätzliches Verhalten handeln.

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WAS VERSTEHT MAN UNTER EMOTIONALER GEWALT?

Emotionale, psychische oder auch seelische Gewalt umfasst ein breites Spektrum von Verhaltensweisen, die eine Gewaltausübung beschreiben, welche ohne Schläge auskommt.
Stattdessen werden andere Formen von Gewalt angewandt, die sich nicht nur schwerer fassen lassen, sondern auch durch ihre Subtilität auf den ersten Blick nicht einmal als gewaltsam eingeordnet werden (können). Gleichwohl zählen sie als Misshandlungen, die ihre Spuren in die Betroffenen einschreiben.

Dazu zählt etwa permanente Kritik, Herabsetzungen und Beleidigungen, Drohungen oder Nötigung, Ablehnung in Form von Ignoranz und Isolation, Liebesentzug, das Einreden bzw. Erzeugen von Schuldgefühlen, Parentifizierung, als Partnerersatz für die Bezugspersonen herhalten/dienen zu müssen, weitere emotionale Bedürfnisse der Bezugspersonen befriedigen zu müssen oder auch Vernachlässigung.

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DIE KONSEQUENZEN VON EMOTIONALER GEWALT

Die Folgen von emotionaler Gewalt können verheerend sein. Je jünger die Betroffenen sind, desto gravierender sind sie in der Regel. Besonders tragisch ist dabei, dass emotionale Gewalt nach außen hin – also für andere Menschen im Umfeld – nicht als solche wahrgenommen wird und Hilfe und Unterstützung deshalb oft ausbleiben. Unter Umständen wird die Erfahrung emotionaler Gewalt sogar heruntergespielt oder gar gänzlich negiert, was das Leid und die Not der Betroffenen um ein Vielfaches verstärkt.
Denn neben der erlebten Gewalt wird den Betroffenen das Erlebte abgesprochen, ihre Gefühle invalidiert, d. h. ungültig gemacht, was dazu führen kann, dass die schmerzvollen Erlebnisse umso schwerer verarbeitet werden können. Die erlebte Realität wird infrage gestellt, was anstelle einer Heilung zu einer weiteren Wunde, einer weiteren Verletzung beiträgt.

Wenn ein Kind von den Menschen Gewalt erfährt, von denen es existenziell abhängig ist, befindet es sich in einem unauflöslichen Konflikt. Einerseits ist es unbedingt und absolut abhängig von der Liebe und Fürsorge seiner Bezugspersonen, andererseits macht es wiederholt die Erfahrung, dass ihm diese großes Leid zufügen. Um diesen Konflikt auszuhalten – denn ein Auflösen ist nicht möglich – kann das Kind auf verschiedene Arten reagieren.

MÖGLICHE REAKTIONEN AUF EMOTIONALE GEWALT

Es kann beispielsweise nach Gründen suchen, die das misshandelnde Verhalten der Bezugspersonen rechtfertigen. Dies geschieht, indem das Kind sich selbst zum Sündenbock macht und die vermeintliche Schuld auf sich nimmt. Die Misshandlungen werden dann als gerechtfertigte Strafe umgedeutet, weil die Vorstellung, dass die engsten und zugleich existenziell bedeutsamen Bezugspersonen aus Willkür, Absicht oder sogar systematisch misshandeln, sich unerträglich und sogar lebensbedrohlich anfühlen kann. Die Schuld auf sich zu nehmen und damit einen vermeintlich logischen, weil nachvollziehbaren Grund gefunden zu haben, ist aus der kindlichen Perspektive das vergleichsweise geringere Übel. Es schafft die Illusion von potenzieller Kontrolle des Kindes, das nun glaubt, mit dem entsprechenden Verhalten weitere Gewalt abwenden oder zumindest auf irgendeine Art regulieren zu können. Diese Form der Schuldumkehr – oder auch Umkehr der Verantwortung – geschieht jedoch zu einem teuer erkauften Preis, nämlich auf Kosten der eigenen psychischen Gesundheit.

Keineswegs handelt es sich dabei um eine freiwillige oder etwa bewusst getroffene Entscheidung, sondern um den oftmals verzweifelten Versuch, das Unerträgliche erträglich, das Unaushaltbare aushaltbar zu machen. Jedoch kann dem Kind die Rolle des Sündenbocks auch unmittelbar von den Bezugspersonen zugewiesen werden, indem diese ihr eigenes Verhalten durch Schuldzuweisungen an das Kind oder in Form von vorgeschobenen Gründen (die sie möglicherweise auch selbst glauben) zu rechtfertigen versuchen.

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DYSFUNKTIONALE FAMILIE: SÜNDENBÖCKE UND EMOTINALE GEWALT: WIE SICH EMOTIONALE GEWALT ÜBERWINDEN LÄSST

Emotionale, seelische oder psychische Gewalt hinterlässt oft tiefe Spuren. Sie kann sich auf die Wahrnehmung der Realität auswirken, zu massiven Selbstzweifeln sowie zu einem niedrigen Selbstwertgefühl führen. Das Führen und die Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen wie Freundschaften oder Partnerschaften können stark darunter leiden bzw. beeinträchtigt sein. Zudem steigt das Risiko, sich erneut in misshandelnde Beziehungen zu begeben und sich nicht dauerhaft aus ihnen lösen zu können.

Am Anfang steht oftmals der schmerzhafte Prozess der Bewusstwerdung und des Anerkennens dessen, was man als Kind oder Jugendliche:r erlebt hat.
Das kann mit starken Emotionen wie Trauer, Wut, Verzweiflung und Ohnmacht verbunden sein. Ein erster Schritt auf dem Weg zur Überwindung des Erlebten kann daher sein, sich einen geschützten Ort zu suchen, an dem für diese Emotionen Raum ist. Dies kann ein realer, existierender Ort sein oder aber auch ein Ort in Ihrer Vorstellung. Für letzteren gibt es eine Vielzahl von Anleitungen im Internet, mithilfe derer Sie einen solchen imaginären Vorstellungsraum erschaffen können.

Wenn Sie mehr über die Ursachen und Folgen von körperlicher Gewalt erfahren möchten, empfehle ich Ihnen diesen Artikel: Gewalt in der Familie – Generation geschlagene Kinder

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WAS SIE IN AKUTEN BELASTUNGSSITUATIONEN TUN KÖNNEN

Wenn Sie bemerken, dass Ihre Emotionen Sie zu überrollen drohen, ist der Zugriff auf kognitive Funktionen, d. h. rationales und besonnenes Handeln oftmals stark erschwert. Impulsive Handlungen im Affekt können die Folge sein, wie etwa selbst- oder fremdschädigendes Verhalten, aber auch sozialer Rückzug oder die Vermeidung potenziell auslösender Situationen sind denkbar.

In Situationen von akuter emotionaler Überforderung kann es hilfreich sein, sich auf die natürlichste Funktion des menschlichen Körpers zu besinnen: Den Atem. Eine hilfreiche Atemübung, die Ihnen dabei hilft, sich selbst wieder zu regulieren, stelle ich Ihnen zum kostenlosen Download unter diesem Link zur Verfügung.

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Meine Frage an Sie:

Haben Sie als Kind und/oder Jugendliche:r emotionale Gewalt erlebt? Hatten Sie jemandem in Ihrem Umfeld, dem oder der Sie sich anvertrauen konnten? Was hätten Sie gebraucht?

Eine wichtige Erinnerung an Sie

  • Sie haben es zu keinem Zeitpunkt verdient, emotionale oder psychische Gewalt zu erfahren. Stattdessen hätten Ihnen Schutz, liebevolle Fürsorge und Halt zugestanden.

Wenn Sie bei diesem Prozess der Aufarbeitung von emotionaler Gewalt eine empathische Unterstützung benötigen, melden Sie sich gerne bei mir.

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